Emotionales Essen und Trauma: Warum dein Körper so reagiert und es keine Schwäche ist
Gehörst du auch zu den Menschen, die in schwierigen Momenten nach Essen greifen? Wusstest du, dass hinter dieser Verhaltensweise häufig unverarbeitete traumatische Erfahrungen stecken können? In diesem Beitrag erklären wir, wie emotionales Essen zu (d)einer Überlebensstrategie wurde.

Stell dir vor, dein inneres System hat gelernt, dass Essen eine schnelle Möglichkeit ist, um überwältigende Gefühle zu betäuben oder dich von ihnen "abzuspalten". Wir zeigen auf, warum dein Essverhalten ein Zeichen deiner inneren Intelligenz ist, die dich schützen wollte, und damit kein Zeichen deiner Schwäche. Erfahre, wie du aus der Schamspirale ausbrechen und beginnen kannst, dein gelerntes Essverhalten wirklich zu verstehen.
Es gibt einen tiefen Zusammenhang zwischen traumatischen Erfahrungen und auffälligem Essverhalten. Mit dieser Frage bist du ganz bestimmt nicht allein. Viele Menschen, die unter den Folgen von Trauma leiden, gebrauchen Essen (oder die Vermeidung davon) unbewusst, um mit ihren inneren Zuständen umzugehen.
Wie ist der Zusammenhang zwischen Trauma und auffälligem Essverhalten?
Trauma ist, wenn eine Erfahrung unsere Bewältigungsmöglichkeiten in diesem Moment völlig überfordert hat und wir sie auch danach nicht verarbeiten konnten. Es bedeutet immer einen Verlust an Sicherheit. Wenn wir nicht gelernt haben, uns selbst gut zu regulieren, oder wenn wir chronischen Stress erleben, entwickeln wir oft Kompensationsstrategien. Das sind Verhaltensweisen, die uns helfen sollen, mit der inneren Not oder Überforderung besser klarzukommen.
Auffälliges Essverhalten ist sehr häufig so eine Kompensations- oder Überlebensstrategie. Warum ist das so?
- Gefühle betäuben oder abspalten: Wenn Gefühle überwältigend sind, versuchen wir oft, sie zu unterdrücken oder uns davon zu distanzieren. Essen kann hier wie eine Art "Selbstmedikation" wirken. Es hilft, die Verbindung zu uns selbst und unseren intensiven Emotionen zu "entkoppeln" oder zu dissoziieren, also abzuspalten. Stell dir vor, du hast einen riesigen inneren Druck der kaum aushaltbar ist. Das Essen (oder Nicht-Essen) "beamt" dich von deinen überwältigenden Gefühlen weg und mildert diesen immensen Druck kurzzeitig. So können unterdrückte Emotionen im Körper gespeichert bleiben und später als psychische Probleme oder körperliche Beschwerden wieder auftauchen.
- Sicherheit und Kontrolle suchen: Chronisches Unsicherheitsempfinden, das aus Trauma resultiert, führt oft zu einem starken Bedürfnis nach Kontrolle. Essverhalten kann hier einen Ersatz für diese fehlende Sicherheit bieten, indem es Struktur und scheinbare Kontrolle gibt. Wenn dein Leben sich unsicher anfühlt, kann es ein trügerisches Gefühl von Sicherheit geben, wenn du genau weißt, was und wie viel du isst, oder wenn du deinen Körper auf eine bestimmte Weise kontrollierst.
- Den Körper wieder spüren (oder eben nicht): Trauma kann zu einer tiefen Entfremdung vom eigenen Körper führen. Manchmal ist der Körper so taub, dass er nur noch auf extreme Reize reagiert. Übermäßiges Essen, das zu einem starken Völlegefühl führt, kann dann paradoxerweise ein Weg sein, den Körper überhaupt wieder zu spüren. Oder umgekehrt: Das Nicht-Essen kann auch eine extreme Körpererfahrung sein.
- Unerfüllte Bedürfnisse und Scham: Hinter dem Essverhalten stecken oft unerfüllte Bedürfnisse, wie zum Beispiel der Wunsch nach Geborgenheit, Sicherheit oder Verbindung. Gleichzeitig sind Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Essen, die als problematisch angesehen werden, oft stark mit Scham- und Schuldgefühlen verbunden. Stell dir vor, du schämst dich so sehr für dein Essverhalten, dass du darüber mit niemandem sprechen willst. Diese Scham treibt dich in die Isolation, und das kann den Heilungsweg, der Beziehung braucht, noch schwieriger machen.
Ab wann ist Essverhalten problematisch?
Essverhalten wird problematisch, wenn es:
- suchtartigen Charakter hat und du das Gefühl hast, es nicht anders machen zu können, ohne dass es dir schlecht geht. Es ist wie ein innerer Zwang.
- selbstschädigend ist und dich oder deine Gesundheit gefährdet.
- lebensbedrohlich wird, wie es bei Magersucht (Anorexia nervosa) der Fall sein kann.
- unter Belastung wieder aufflammt: Wenn du merkst, dass sich bestimmte Essmuster unter Stress oder Veränderungen in deinem Leben verstärken, ist das ein Zeichen dafür, dass dein System überlastet ist und auf alte Kompensationsstrategien zurückgreift.
- chronisch und dauerhaft angewendet wird und einen hohen Preis fordert, indem es beispielsweise deine Lebensqualität oder deine Beziehungen beeinträchtigt.
- als Ersatz für echte Sicherheit fungiert: Auch wenn es dir scheinbar Sicherheit gibt, löst sich die große Disbalance unter der Oberfläche nicht auf.
Welche Störungen gibt es?
Der Begriff "Störung" wird in der Traumatherapie oft kritisch gesehen, da er das Geschehen pathologisiert (also mit einem Krankheitscharakter belegt). Man spricht lieber von Kompensationsstrategien oder Anpassungsleistungen, weil diese Begriffe die "Intelligenz" dahinter anerkennen lassen. Sie waren einmal hilfreich oder sogar notwendig, um überleben zu können.
Einige Formen auffälligen Essverhaltens, die oft mit Trauma in Verbindung gebracht werden, sind:
- Emotionales Essen: Das Essen als Reaktion auf Gefühle wie Stress, Langeweile, Traurigkeit oder Angst, anstatt auf körperlichen Hunger. Es ist der Versuch, einen Zustand zu verändern.
- Bulimie (Ess-Brech-Sucht): Anfallsartiges Essen großer Mengen, gefolgt von Erbrechen oder anderen kompensatorischen Maßnahmen. Dies dient oft der Dissoziation, also dem Entkoppeln vom eigenen Körpergefühl und dem Hier und Jetzt.
- Anorexia nervosa (Magersucht): Eine schwere Erkrankung, bei der Betroffene trotz Untergewicht ein übersteigertes Kontrollbedürfnis über ihr Essen und ihr Körpergewicht haben. In Krisenzeiten kann die Magersucht, allerdings nur scheinbar, Sicherheit geben und bei der Kompensation von Ängsten helfen.
- Binge Eating Disorder: Wiederkehrende Episoden von unkontrolliertem Essen in großen Mengen, oft ohne anschließende kompensatorische Maßnahmen wie Erbrechen.
- Anorexia athletica: Eine Form der Essstörung, die durch zwanghaftes und übermäßiges Trainieren gekennzeichnet ist, oft um das Körpergewicht oder die Figur zu kontrollieren. Auch hier kann es sich um einen Kompensationsmechanismus handeln.
- Fütterungsstörungen (im Säuglingsalter): Wenn ein Baby die angebotene Nahrung nicht annimmt, kann das bereits ein sehr früher Hinweis auf eine chronisch traumatisierte Familiengeschichte sein und auf emotionale Überforderung, z.B. durch eine gestörte Bindung, hinweisen.
Was kann ich dagegen tun?
Der Weg aus auffälligem Essverhalten und den damit verbundenen Trauma-Folgen ist ein Prozess, der Zeit und Unterstützung braucht. Hier sind einige wichtige Schritte:
- Wissen und Verständnis kultivieren
- Traumaspezifische Begleitung suchen
- Sicherheit im Hier und Jetzt schaffen
- Selbstregulation lernen
- Dem Körper wieder zuhören
- Unerfüllte Bedürfnisse und innere Anteile verstehen
- Wohlwollendes Umfeld gestalten
Denk daran: Dein Essverhalten ist ein Signal deines Systems, das dir etwas mitteilen will. Es ist ein Ausdruck deines inneren Erlebens. Mit der richtigen Unterstützung kannst du lernen, echte innere Sicherheit zu schaffen und Wohlbefinden zu entwickeln. Gerne begleiten wir dich auf diesem Weg.
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Manche Erlebnisse hinterlassen tiefe Spuren in unserer Seele. Doch wann wird aus einer schmerzhaften Erfahrung eine "schwere Verletzung", die sich zu einer Traumafolgestörung entwickeln kann? Das Erkennen dieser Schwelle ist entscheidend, um rechtzeitig Unterstützung zu suchen und den Weg zur Heilung zu ebnen.
Nicht jedes belastende Erlebnis führt zu einer Traumafolgestörung. Aber bestimmte Arten von Erfahrungen, besonders wenn sie wiederholt, intensiv oder in frühen Lebensphasen auftreten, können die Psyche so stark erschüttern, dass sie ihre normale Funktionsweise verändert.

Trauma ist eine tiefgreifende Erfahrung, die das Leben von Betroffenen oft von Grund auf erschüttert. Es kann das Gefühl von Sicherheit, Vertrauen und sogar die eigene Identität zerstören. Der Weg zur Heilung ist lang und oft schmerzhaft, doch viele Menschen finden in dieser Dunkelheit eine unerwartete, aber mächtige Ressource: im christlichen Glauben und in der persönlichen Beziehung zu einem lebendigen Gott.

Die Ursachen für chronische Einsamkeit nach einer Traumatisierung sind oft tief in unseren frühen Erfahrungen verwurzelt.