Einsam nach Trauma? Wie du Verbundenheit neu lernst und warum es nie zu spät ist
Die Ursachen für chronische Einsamkeit nach einer Traumatisierung sind oft tief in unseren frühen Erfahrungen verwurzelt.

Was könnten beispielhafte Ursachen dafür sein?
- Frühe Verlusterfahrungen und Vernachlässigung
Chronische Einsamkeit entsteht meistens schon in der Kindheit, besonders durch emotionale Vernachlässigung. Stell dir vor, ein Kind fühlt sich immer wieder nicht gesehen, nicht wahrgenommen in seinen Bedürfnissen oder seiner Not. Es erlebt vielleicht, dass seine Suche nach Verbindung und Geborgenheit nicht beantwortet wird oder sogar als gefährlich empfunden wird. Das Kind fühlt sich dann nicht geborgen, nicht versorgt, und erlebt eine tiefe Angst vor dem Verlassenwerden. Diese Erfahrungen graben sich tief ins Nervensystem ein und bilden eine sogenannte "Wunde der Verlassenheit".
- Ungesehene Gefühle und Scham
Wenn ein Kind schlimme oder überwältigende Dinge erlebt und nicht darüber sprechen kann, weil es vielleicht die Worte fehlen oder es die Situation gar nicht begreift, dann empfindet es tiefe Einsamkeit. Es entsteht das Gefühl, dass niemand einen verstehen kann, manchmal nicht einmal man selbst. Oft ist Trauma mit einem tiefen Schamgefühl verbunden. Stell dir vor, du schämst dich so sehr für das, was dir passiert ist oder wie du dich fühlst, dass du es niemandem zeigen willst. Dieses Schamgefühl kann dann dazu führen, dass du dich emotional isolierst, quasi eine "Isolation im eigenen Innern" entwickelst, in der du dich auch von dir selbst abschneidest. Solche unverarbeiteten Erlebnisse sind wie "eingekapselte Erfahrungen", mit denen man sich zutiefst allein fühlt.
- Verlust der Verbundenheit zu sich selbst und anderen
Eine der Hauptfolgen von Trauma ist, dass die Verbundenheit zu uns selbst verloren geht oder stark beeinträchtigt wird. Wenn du dich von dir selbst entfremdet fühlst, kannst du dich auch nicht wirklich mit anderen oder der Welt verbunden fühlen. Es ist, als ob die Tür nach innen verschlossen ist. Das ist eine Art Schutzmechanismus, um die überwältigenden Gefühle nicht spüren zu müssen.
- Dysfunktionale Bewältigungsstrategien
Um mit der inneren Not, dem Schmerz oder der Überforderung klarzukommen, entwickeln Menschen oft unbewusst Überlebensstrategien. Dazu gehören beispielsweise:- Dissoziation: Das ist ein Schutzmechanismus, bei dem du dich von deinen Gefühlen oder deinem Körper abspaltest, um den Schmerz nicht mehr zu spüren. Es ist wie eine Betäubung, die kurzfristig Erleichterung bringt, aber langfristig die Einsamkeit vertieft, weil du dich auch von dir selbst entfernst.
- Suchtverhalten: Egal ob stoffgebunden (wie Drogen oder Alkohol) oder nicht-stoffgebunden (wie exzessiver Serienkonsum oder Arbeitssucht), Sucht kann ein Versuch sein, die Aufmerksamkeit vom inneren Schmerz, der Unruhe oder Einsamkeit abzulenken und sich nicht spüren zu müssen. Doch nach der kurzfristigen "Betäubung" wird das Gefühl der fehlenden Verbundenheit oft noch tiefer.
- Rückzug und Bindungsvermeidung: Manche Menschen ziehen sich komplett zurück und meiden Beziehungen, weil sie gelernt haben, dass Nähe und Bindung mit Schmerz oder Gefahr verbunden sind. Das kann nach außen hin souverän wirken, aber im Inneren geht es diesen Menschen oft sehr schlecht, da sie in großer Isolation und Not festsitzen.
Wie kommt man da raus?
Der Weg aus der Einsamkeit braucht Zeit und Unterstützung.
- Verständnis entwickeln (Psychoedukation): Verstehe, dass deine Reaktionen normale Antworten auf traumatische Erfahrungen sind. Wissen über Trauma (Psychoedukation) hilft dir, dich selbst und dein Nervensystem besser zu verstehen und frühere Überlebensstrategien als solche zu erkennen.
- Das Nervensystem regulieren und Sicherheit lernen: Lerne, dein Nervensystem zu regulieren. Schaffe Sicherheit im Hier und Jetzt, indem du deine Sinne bewusst wahrnimmst (z.B. Füße spüren). Baue schrittweise Kapazität für Gefühle auf, um Überflutung zu vermeiden, idealerweise mit traumasensibler Begleitung. Pausen und Entspannung sind dabei essenziell.
- Verbundenheit neu lernen und erleben: Verbundenheit ist essenziell und kann neu gelernt werden. Suche heilsame Beziehungen, ob in Therapie oder Freundschaften, die "korrigierende Erfahrungen" ermöglichen, indem du dich sicher, gesehen und verstanden fühlst. Entwickle Selbstmitgefühl und Wohlwollen dir selbst gegenüber. Erkenne, dass deine früheren Überlebensstrategien dich schützten und dass Heilung ein Prozess ist, der Geduld erfordert und Rückschläge zulässt.
Der Weg aus der Einsamkeit ist eine Reise zu dir selbst und zurück in die Verbindung mit anderen und der Welt. Es geht darum, alte Wunden liebevoll anzuschauen, zu verarbeiten und neue, heilsame Erfahrungen zu machen, die dir zeigen, dass du nicht allein bist und dass du Verbundenheit neu lernen kannst.
Hier finden Sie weitere Beiträge zum Thema Traumatherapie

Man könnte sagen, sich selbst zu vergeben, ist eine Form der inneren Friedensarbeit. Es geht darum, die Verbindung in deinem Inneren wiederherzustellen. Oft ist es so, dass Menschen, die Traumafolgen tragen, sich selbst verurteilen, beschuldigen oder sogar abwehren. Sie machen sich damit quasi selbst zum "Objekt" ihrer negativen Gefühle und verletzen sich selbst – sie werden sozusagen zum Täter an sich selbst.

Fühlst du dich manchmal, als hätte dich das Leben verraten? Als hätten ungerechte oder zutiefst enttäuschende Erfahrungen tiefe, unsichtbare Spuren in deiner Seele hinterlassen? Eine posttraumatische Verbitterungsstörung (PTVS) ist genau das: ein tiefsitzender Groll, der aus Verletzungen entsteht, die nicht heilen konnten. Es ist mehr als nur Traurigkeit oder Wut – es ist eine Verhärtung des Herzens, die dich von allem Schönen abschneiden kann. Doch es gibt einen Weg, diese unsichtbaren Mauern einzureißen und dein Leben zurückzugewinnen.

Im Kontext der Traumatherapie nach dem Modell der strukturellen Dissoziation gibt es spezifische Persönlichkeitsanteile, die sich als Reaktion auf Traumatisierung entwickelt haben. Wir wollen das etwas anhand von zwei Fallbeispielen erklären.